Mein Leben als Kummerkasten

Was macht eigentlich so ein Ombudsmann? Eine gute Frage!

Um Himmels Willen, noch ein Jahresrückblick? Als ob es nicht schon genug gäbe! Aber dann war da letzte Woche die nette Bekannte auf der Weihnachtsfeier, nennen wir sie Ingrid, die mich unvermittelt fragte: „Kannst du mir mal erklären, was so ein Ombudsmann macht?“ Ich versuchte es mit wolkigen Umschreibungen wie Schiedsmann, Schlichter, Vermittler, Seelsorger, Kummerkasten. „Jaja, das hab‘ ich verstanden“, antwortete sie. „Was du tatsächlich machst, wollte ich wissen.“

Tja, das fragt sich der Verleger, der mich bezahlt, sicher auch. Ich könnte es in Zahlen fassen. 15 bis 20 Stunden im Monat bin ich mit Anfragen, Beschwerden, Hinweisen von Leserinnen und Lesern sowie mit nachfolgenden Gesprächen und Korrespondenz befasst. Da ich Listen führe, weiß ich recht genau, dass mich 2023 mehr als 100 Anfragen erreichten. Aber was besagt das schon?

Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und die Dinge sortiert. Merkwürdigerweise kamen all die Themen zum Vorschein, die uns auch bei den Rückblicken von ARD und ZDF begegnet sind. Klima, Kriege, Krisen, Inflation, Corona, Lieferprobleme, Fachkräftemangel, Digitalisierung, Demographie, Fake News, Verschwörungsmythen, Bürgerwut. Wie in einem Brennglas fokussieren sich in einem Medienhaus die Probleme der Welt. Aber es gibt ein paar Kernthemen.

Zustellung

Weil immer mehr Druckereien nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind und Investitionen sich nicht lohnen, werden die Wege der gedruckten Zeitung zu den Kunden länger. Das Blatt ist weniger aktuell, kommt später, manchmal gar nicht, denn Austräger lassen sich nur noch schwer finden. Der gute alte Bote, der jeden versteckten Zeitungskasten im Dunkeln fand, ist im Ruhestand, während die Aushilfe mühsam die Straßennamen lernt. Natürlich ärgern die Kunden sich, wenn’s nicht klappt.

Digitalisierung

Das E-Paper kommt zuverlässiger, früher und aktueller ins Haus; der Verlag sieht darin die Zukunft, wirbt massiv dafür, weil die elektronische Ausgabe weniger Kosten und Ärger verursacht als die aus Papier, deren Preis eigentlich noch stärker steigen müsste. Nicht wenige Leser aber fühlen sich vergrault, wenn nicht gar genötigt: Will man mir die geliebte Zeitung wegnehmen und mich ans Tablet zwingen?

Inhalte

Nein, niemand will die Zeitung abschaffen, aber das Blatt verändert sich. Dank der Digitalisierung wissen Redaktionen heute viel genauer, was gelesen und was überblättert wird. Und womit man neue, jüngere Leser ködern könnte. Die Eröffnung eines Fast-Food-Restaurants wird im Zweifel mehr Aufmerksamkeit finden als die Rezension eines Musikabends. Aber das machen Sie mal der langjährigen Leserin klar, die neben dem Zeitungs- auch ein Konzert-Abo abgeschlossen hat und gewohnt war, hinterher in aller Ausführlichkeit zu lesen, was sie gehört hat. Ihr fehlt etwas. Dass es manchmal die reine Personalnot ist, die eine Redaktion hindert, über ein Thema oder eine Veranstaltung zu berichten, ist ein schwacher Trost. Redakteure, verzweifelt gesucht!

Wutbürger

Was die Journalisten schreiben, passt auch nicht jedem. Zwar sind Streit und Diskussion das Lebenselixier der Zeitung, Widerspruch ist erwünscht. Doch haben die Leute dabei immer öfter Schaum vorm Mund. Den einen kommt die Redaktion linkslastig-grün vor, sie fühlen sich bei Themen wie Umwelt, Nachhaltigkeit, Corona oder Sprache erzogen und gegängelt. Können sie sich mal für einen geharnischten anti-woken Kommentar von Dr. Alexander Will begeistern, sind gleich die anderen auf der Matte, die so ein rechtes Zeug nicht lesen möchten, wütende Leserbriefe schreiben, mit Abo-Kündigung drohen oder sich wenigstens beim Ombudsmann auskotzen.

Der findet in seinen Mails ab und zu die Kopie einer Beschwerde beim Deutschen Presserat, weil einem Leser dies oder das nicht gefallen und er es als Verstoß gegen den Pressekodex gemeldet hat. Schweres Geschütz, aber meist ist nichts dran. In aller Regel folgt nach ein paar Wochen ein Schreiben des Beschwerdeausschusses, der die Klage als unbegründet abgewiesen hat.

Was mir wiederum zeigt, dass die Zeitung trotz all der kritischen Hinweise, die mich erreichen und trotz der Fehler und Pannen, die nun mal passieren, ihre Sache im Großen und Ganzen gut macht. Zum Glück sehen das die meisten Leser und sogar viele Beschwerdeführer auch so. In diesem Sinne ein Kompliment und Dank an die Redaktion und Ihnen und mir viel Freude bei der Lektüre im neuen Jahr. Alles Gute, und bleiben Sie der Zeitung gewogen!

Hinterlasse einen Kommentar