Von der Kritik eines Polizeichefs und unzulässigen Verallgemeinerungen
Würde ich in dieser Kolumne behaupten, die Polizei sei gewalttätig, wäre mir ein böser Brief des Polizeichefs von Wilhelmshaven gewiss. Und er hätte Recht. Vielleicht gibt es hier oder da mal einen übertrieben robusten Einsatz. Aber die ganze Organisation als gewalttätig bezeichnen, weil einer übers Ziel hinausschießt? In bestimmten Situationen darf und muss ein Polizist nun mal Gewalt anwenden, um Gefahr von sich und anderen abzuwenden.

Jüngst hat mich ein Beitrag irritiert, dessen Überschrift so lautete: „Polizeidirektor geht mit Medien hart ins Gericht“. Darin wird der Leiter der Polizeiinspektion Friesland/Wilhelmshaven, Heiko von Deetzen, in einem Passus über die Medien so zitiert: „Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen.“ Er habe „vor allem den sozialen Medien“ vorgeworfen, die „Sensationslust der Bürger“ befriedigen zu wollen. Als Beispiel wurde der „Impfskandal“ von Roffhausen genannt. Ohne die enorme mediale Aufmerksamkeit, so von Deetzen, hätte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen eine Krankenschwester, die Spritzen mit Kochsalzlösung statt Impfstoff füllte, wahrscheinlich eingestellt.
Nun war ich bei der Veranstaltung, aus der berichtet wurde, nicht dabei, kenne die Aussagen des Polizeichefs nur aus der Zeitung und weiß nichts über die Stimmung in der Runde. Manchmal sagt man flapsig was daher und geht nicht davon aus, dass es wörtlich zitiert wird. Manchmal wird man missverstanden oder verkürzt wiedergegeben, manchmal vereinfacht man selbst Dinge um der besseren Verständlichkeit willen. Ich halte mich deshalb mit Kritik zurück. Aber ein paar Hinweise seien erlaubt.
Zunächst wäre zu klären, was „die Medien“ eigentlich sind. Nach wissenschaftlicher Definition ist zwischen den „Massenmedien“ einerseits (Presse, Rundfunk, Internetportale) und „sozialen Medien“ (Facebook, Instagram, Whatsapp & Co.) zu unterscheiden. Massenmedien erstellen und transportieren Nachrichten und Meinungen (sind also Sender) und wenden sich an ein Publikum (die Empfänger). Soziale Medien sind dagegen technische Plattformen, die dem Informationsaustausch unzähliger Individuen dienen und auf denen alle Nutzer Sender und Empfänger zugleich sein können. Und wo jeder schreiben kann, was er will.
Es ist ein Unterschied, ob klassische Medien über einen Vorgang wie den mutwillig herbeigeführten Austausch von Impfstoff gegen Kochsalzlösung in einem Impfzentrum berichten und sich mit den Ursachen und Folgen auf der Basis sorgfältiger Recherche beschäftigen, oder ob sich auf Social-Media-Kanälen seriöse Nachrichten mit Halbwissen, Lüge, Polemik und Hass vermengen.
Natürlich dürfen auch Medien kritisiert werden. Ob man den Vorgang in Roffhausen zum „Impfskandal“ hochjazzen musste, wo es doch nur um die Fehlleistung einer einzelnen Person ging, darüber kann man streiten. Auch über die Frage, ob das Ausmaß der Berichterstattung dem Ereignis angemessen war. Aber die Medien in Mithaftung zu nehmen für alle Häme und Hetze, die im Netz über die Vorgänge verbreitet wurden, wäre so ungerecht, als würde man die Polizei verantwortlich machen für das Fehlverhalten eines Türstehers, nur weil der auch Uniform trägt.
Was pauschale Kritik an „den Medien“ gern unterschlägt, ist dies: Auch innerhalb der klassischen Medien gibt es „sone und solche“. Die einen, die sorgfältig recherchieren, einordnen, abwägen, alle Seiten anhören, rechtliche und ethische Aspekte im Hinterkopf haben, bevor sie etwas veröffentlichen. Die anderen, die um billiger Effekte und größtmöglicher Aufmerksamkeit willen verkürzen, zuspitzen, polarisieren oder gar lügen. Und es gibt eine Menge dazwischen. Alle in einen Topf zu werfen, ist ungerecht. Bei Journalisten wie bei Polizisten.