Nase voll von schlechten Nachrichten?

Über die Spaltung der Gesellschaft und das Vertrauen in die Medien

Wer die Sache positiv sehen will, nimmt diese Zahlen: 75 Prozent der Deutschen vertrauen den Medien. Davon wiederum sind 64 Prozent sehr froh, dass es Zeitungen und Nachrichten gibt. 42 Prozent von ihnen finden, dass die Medien sehr gute Arbeit leisten.

Man kann die Zahlen auch andersherum lesen: 25 Prozent der Deutschen sehen die Medien kritisch, von diesem Viertel sind nur 33 Prozent sehr froh, dass es Zeitungen und Nachrichten gibt und es finden nur 9 Prozent der Kritiker, dass die Medien eine sehr gute Arbeit leisten.

Sind das nun gute oder sind es schlechte Zahlen? Erhoben wurden die Daten von der Kölner Marktforschungsfirma „rheingold salon“. Die Studie „Medien zwischen Achtung und Ächtung – eine Untersuchung zur Kluft zwischen Medienakzeptanz und Medienaversion in Ost- und Westdeutschland“ ist im September 2023 veröffentlicht worden.

Sie wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass Deutschland ein gespaltenes Land ist. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler sind diejenigen, die mit den Medien unzufrieden sind, nämlich ebenso mit dem Großen und Ganzen unzufrieden. „68 Prozent der Medienkritiker:innen fühlen sich von System und Politik alleingelassen“, heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse.

Medienkritische Menschen fühlen sich in den Medien nicht mehr „zuhause“, haben den Glauben an sie verloren. Zugleich wählen sie viel öfter rechts. 32 Prozent derjenigen, die in den Befragungen angegeben haben, sie seien Medienkritiker, bekannten sich als AfD-Wähler, während das nur 9 Prozent derjenigen taten, die die Medien im Großen und Ganzen akzeptieren.

Nach Gründen befragt, fielen in den tiefenpsychologischen Interviews, die neben repräsentativen Umfragen die Datenbasis der Untersuchung bildeten, immer wieder dieselben Stichworte: Corona, Klima, Einwanderung und Geflüchtete, Ukraine und Russland, Inflation, Bildung, EU. An diesen Themen macht sich das Misstrauen gegenüber den Medien besonders fest, in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland.

Was das Land und die Welt seit dem Beginn der Corona-Pandemie in einer scheinbar endlosen Abfolge von Krisen aufwühlt (der Krieg in Palästina war dabei noch gar kein Thema), hat das Verhältnis zwischen den Medien und dem Publikum negativ verändert. Eine Folge ist: Menschen ziehen sich von den klassischen Medien zurück.

Befragte schilderten in den Interviews, ihnen würden die schlechten Nachrichten zu viel, sie wünschten sich mehr Positives, sie verfolgten Nachrichten bewusst weniger oder nur noch in bestimmten Social-Media-Kanälen. Ein beträchtlicher Anteil der Kritiker erwartet von den Medien, dass sie mehr darüber berichteten, „was in Deutschland schiefläuft“ und dass die „wirklichen Sorgen“ der Menschen aufgegriffen würden. 78 Prozent der Medienkritischen stimmten der These zu: „Wir fahren Deutschland an die Wand, wenn wir so weiter machen – aber in den Medien ist das zu wenig Thema.“ Diese Kritik ist allerdings nicht auf die Medienskeptiker beschränkt; auch die Befragten, die den Medien vertrauen, teilten sie zu 42 Prozent.

Die Verfasser der Studie raten Journalisten, den Menschen mehr zuzuhören, sich ihren individuellen Lebenswelten stärker zu nähern und in der Berichterstattung häufiger Zukunftsperspektiven und Lösungen aufzuzeigen. Und sie heben den Vorteil regionaler Berichterstattung und damit die Bedeutung lokaler Medien hervor. „Gesellschaftliche Spaltung“, heißt es da, „kann vor Ort eher aufgehoben werden.“

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