Fake News in der Leserbriefspalte

Von Verschwörungsmythen und wie Zeitungen damit umgehen sollten

In Deutschland hat jeder das Recht zu behaupten, die Erde sei eine Scheibe. Wer will, darf auch erzählen, von Menschen verursachten Klimawandel gebe es nicht, die Regierung plane eine Umvolkung, bei Corona-Schutzimpfungen würden Mikrochips implantiert und die Kondensstreifen am Himmel bestünden aus Chemikalien, die aus Flugzeugen versprüht würden, um uns alle zu vergiften. Auch wer behauptet, hinter all dem stecke eine einzige große Verschwörung, macht sich nicht strafbar. Er macht sich höchstens lächerlich.

Was aber, wenn Leserbriefschreiber mit solchen Erzählungen um die Ecke kommen? Die Frage stellt sich, nachdem im Jeverschen Wochenblatt eine Zuschrift abgedruckt wurde, in der der Absender sich mit den Klimastreiks auseinandersetzte und sinngemäß behauptete, namhafte Meteorologen hätten schon in den 1980er-Jahren festgestellt, dass man gegen Klimaveränderungen nichts tun könne, die habe es schon immer gegeben.

Es handelt sich um eine Falschinformation. Spätestens in den Achtzigerjahren setzte sich in der Wissenschaft die Erkenntnis durch, dass von menschlicher Zivilisation verursachte Veränderungen in der Erdatmosphäre langfristig zu erheblichen Klimaveränderungen mit der Folge von zunehmenden Naturkatastrophen führen würden und dass man diesen Prozess (damals) vielleicht noch stoppen könne.

Nun behauptete der Verfasser des Leserbriefes weiter, die Klimadiskussion, E-Autos, Corona, Wirtschaft, Künstliche Intelligenz, das hänge alles zusammen und werde „im Hintergrund bewusst gesteuert“, alles werde „dirigiert“. Hier handelt es sich um eine typische Verschwörungserzählung, wie man sie in Internetforen und sozialen Netzwerken zuhauf antrifft, dort oft verbunden mit rechtsextremen Parolen, unterschwelligem Rassismus und kaum verhohlenem Antisemitismus.

Was also tun mit solchen Leserbriefen? Die deutschen Zeitungsredaktionen haben sich auf die publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserates verpflichtet. Der sogenannte Pressekodex besagt in Ziffer 2: „Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen (…) sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.“ Das gilt, wie aus der dazugehörigen Richtlinie 2.6 hervorgeht, auch für Leserbriefe. Dort heißt es: „Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen sind die Publizistischen Grundsätze zu beachten.“

Dieselbe Richtlinie besagt, dass es der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit diene, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt. Gleichwohl bleibt bei abweichenden Ansichten die Ziffer 1 des Pressekodex gültig: „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“

Redaktionen sind also angehalten, nicht nur die Texte von Autoren, sondern auch Leserbriefe auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und sie notfalls ungedruckt zu lassen. Aber nicht nur das. Sie müssen sich ebenso überlegen, ob sie demokratie- und wissenschaftsfeindlichem Geraune, das im Netz, aber auch in der Politik um sich greift, in ihrem Medium Platz einräumen wollen. Wer mehr über das Thema Verschwörungsideologien wissen möchte, dem sei ein Dossier der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg empfohlen.  www.lpb-bw.de/verschwoerungstheorien

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