Welche Auszeichnungen Journalisten (nicht) annehmen sollten
Journalisten (das sage ich im vollen Bewusstsein, im Glashaus zu sitzen) neigen manchmal dazu, sich ein bisschen zu wichtig zu nehmen. Nicht wenige empfinden, was sie tun, als staats- und gesellschaftstragend. Sie zeigen „Haltung“, ergreifen Partei, engagieren sich in Angelegenheiten, über die sie eigentlich nur berichten sollten. Oder sie geben sich als unerbittliche Aufklärer, Mahner, Kritiker, bisweilen auch Erzieher.
Der kluge, manchmal missverstandene Rat des einstigen Nachrichtenmoderators Hans-Joachim Friedrichs, Journalisten sollten sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten, gilt in der Branche jedenfalls nicht mehr viel. Dabei hatte Friedrichs gar nichts gegen Engagement und Parteinahme, er wollte seinen Kollegen wohl nur den Hinweis geben, zu allem, worüber sie berichten und was sie kommentieren, die nötige gefühlsmäßige Distanz zu wahren und sich nicht vereinnahmen zu lassen. Keine so schlechte Idee.
Beim Wühlen im Bildarchiv stieß ich auf ein Foto aus den Neunzigerjahren. Es zeigt drei altgediente Lokaljournalisten der in Jever konkurrierenden Zeitungen, wie sie vom damaligen Bürgermeister Siegfried Harms mit der Schlossermedaille geehrt wurden. Sie hätten sich durch ihre Berichterstattung um die Stadt, um die Kommunalpolitik, um Vereine, Kultur und Gesellschaft verdient gemacht, hieß es. Hatten sie? Ja gewiss, denn die Arbeit der Presse ist ja generell nützlich, und die drei hatten auch persönlich viel dafür getan, dass die Bürger stets gut informiert sind, dass Zusammenhalt und Gemeinsinn in der Kleinstadt funktionieren.
Aber sollte man als Journalist so eine Ehrung annehmen? Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob die drei Reporter die Medaille auch bekommen hätten, wenn sie den Mächtigen im Rathaus öfter mal auf die Füße getreten wären. Wenn sie nicht mit, sondern gegen den Strom geschwommen wären. Ich hege da meine Zweifel. Fritz Levy, nach dem vor wenigen Wochen in Jever ein Platz benannt worden ist, hätte man vor 30 Jahren auch noch kein Denkmal gesetzt. Er war nicht angepasst genug.
Manchmal ändern sich Sichtweisen mit der Distanz. Wer einen anderen ehrt, der denkt sich jedenfalls was dabei. So wie der ukrainische Präsident Selenskyj, der jüngst drei Journalisten des Springer-Verlages mit dem Verdienstorden seines Landes bedachte. Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt, der stellvertretende Bild-Chefredakteur Paul Ronzheimer und der Bild-Politikredakteur Julian Röpcke bekamen die hohe Auszeichnung unter anderem, weil sie sich publizistisch für Waffenlieferungen an die Ukraine eingesetzt haben.
Für mich hat das einen merkwürdigen Beigeschmack. Nicht, dass ich die Waffenlieferungen nicht auch unterstützen würde. Aber sich als Zeitungshaus quasi zur Kriegspartei zu machen und dafür Tapferkeitsmedaillen einzuheimsen, entspricht nicht meinem Ideal von unvoreingenommener Berichterstattung. Mögen die Schurken- und die Opferrolle in dem Konflikt noch so eindeutig erkennbar sein, der Journalist, ein ausländischer zumal, sollte eine gewisse Distanz zum Gegenstand seiner Berichterstattung wahren. Schon um der Glaubwürdigkeit willen.
Statt des ukrainischen Verdienstordens hätte der Ostfriese Paul Ronzheimer für seine mutigen Videoreportagen aus dem Kriegsgebiet vielleicht besser den Deutschen Fernsehpreis bekommen, das wäre seines Berufes würdig gewesen. Den haben sie ihm allerdings nicht gegeben.