Von möglichen Konflikten zwischen Berichterstattung und Standesrecht
Ein Arzt posiert auf einem Zeitungsfoto stolz neben dem OP-Roboter, mit dem er minimalinvasive Operationen durchführen wird. Ein Rechtsanwalt erläutert im Interview, warum er das Urteil in einem aufsehenerregenden Prozess für eine Fehlentscheidung hält. Ein Bauingenieur, der Pläne für ein Bauvorhaben vorstellt, lässt sich in einer Pressekonferenz unwidersprochen als Architekt bezeichnen, obwohl er nicht ins Architektenverzeichnis eingetragen ist. Wer als Journalist mit Freiberuflern zu tun hat, muss sich mit dem Standesrecht bestimmter Berufsgruppen auskennen.

Früher waren die Regeln sehr streng, Ärzte und Rechtsanwälte zum Beispiel durften nur unter eng gefassten Bedingungen so etwas wie Public Relations für sich betreiben. Manch älterem Redakteur und sicher auch manchem Leser ist das noch im Hinterkopf, wenn er einen Beitrag liest und sich fragt: „Darf der das?“
Eine Zeitungsserie über das Tierrecht schreiben zum Beispiel, wenn man eine darauf spezialisierte Anwältin ist. Oder eine regelmäßige Kolumne über Gesundheitsfragen verfassen, wie es gleich mehrere Ärzte aus Friesland für Zeitungen in der Region tun. Interessanter Lesestoff ist es allemal, so wie auch die Artikel über einen Anwalt, der Angeklagte in einem spektakulären Prozess über Vorgänge am Klinikum Wilhelmshaven vertritt. Und immer wieder wird in der Redaktion oder beim Ombudsmann nachgefragt: Steht nicht das Standesrecht dagegen?
Eine eindeutige Antwort gibt es darauf nicht. Die Angehörigen bestimmter freier Berufe sind in Ärzte-, Zahnärzte-, Rechtsanwalts-, Notar-, Architekten- oder sonstigen Kammern organisiert. Diese regeln, was ihre Mitglieder tun dürfen und was nicht. Aber: Die Werberegeln und viele andere Vorschriften in den meisten Kammerberufen sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gelockert worden.
Nicht wenige Mediziner und Juristen haben den Wert der regelmäßigen Öffentlichkeitsarbeit für sich entdeckt – ob direkt mit Werbeanzeigen und auf Internetseiten oder indirekt durch Kolumnen und andere Beiträge, Interviews oder Leserbriefe. Was diejenigen ihrer Kolleginnen und Kollegen, die keine Zeit, keine Lust oder nicht die Mittel haben, auf dieser Klaviatur zu spielen, gelegentlich ärgert. „Der schon wieder“ oder „die schon wieder“ und: „Was hat der, was ich nicht habe?“
Nun haben nicht nur die Kammerberufe ihr Standesrecht (das nun allerdings keine engen Grenzen mehr zieht), sondern auch die Presse. Der Pressekodex ist in dieser Hinsicht ganz eindeutig. Weder darf Berichterstattung durch private und geschäftliche Interessen Dritter beeinflusst werden, noch darf sie in Schleichwerbung ausarten. Bei medizinischen Themen fordern die Leitlinien des Deutschen Presserats noch einmal besondere Zurückhaltung.
Gegen die Kolumne eines Arztes, der den Lesern regelmäßig Tipps für ein gesünderes Leben gibt oder über Volkskrankheiten aufklärt, ist allerdings rechtlich und moralisch nichts einzuwenden, genauso wenig gegen die Darstellung interessanter juristischer Themen durch Rechtsanwälte. Wenn es nicht in Werbung für den Verfasser ausartet, indem er sich, seine Praxis oder Kanzlei oder ganz bestimmte Dienstleistungen und Behandlungsmethoden anbietet oder favorisiert. Das wäre sowohl nach Standesrecht als auch nach dem Pressekodex unzulässig.
Eine kluge Redaktion wird darauf achten, dass sie nicht einzelne Vertreter eines Berufsstandes derart oft und plakativ zu Wort kommen lässt, dass Mitbewerber sich zu Recht benachteiligt fühlen. Der Maßstab, der vor einer Veröffentlichung angelegt werden sollte, lautet: Ist es für die Leser von Nutzen?