Der eine Satz klingt harmlos. Der andere auch, aber nur auf den ersten Blick. „Freie und unabhängige Medien sind in einer Demokratie unverzichtbar“, lautet der erste. Der zweite: „Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind.“ So steht es im Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP 2021 unterschrieben haben.
Warum auch nicht, es wird ja alles Mögliche gefördert, weshalb nicht die Zeitungen? Weil die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse sich nicht mit einer Subventionierung durch den Staat verträgt, sagen Kritiker. Sie fürchten Einflussnahme der Regierenden auf die Medien, nach dem Motto „Wer zahlt, bestimmt die Musik“.
Dass es überhaupt zu der Diskussion gekommen ist, liegt daran, dass ein erfolgreiches Geschäftsmodell in Schwierigkeiten geraten ist. Zeitungsverleger, sagten Spötter früher, hätten die Lizenz zum Gelddrucken. Abo-Erlöse sprudelten so kräftig wie die Einnahmen aus Anzeigen. Dann kam das Internet. Leser entdeckten, dass es Nachrichten gratis gibt, und die Werbetreibenden merkten, dass sie im Netz ihr Publikum finden. Beides ging zu Lasten der Presse, die eine Weile brauchte, die neuen Medien selbst als Geschäftsfeld zu entdecken.
Die gedruckte Zeitung leidet seither, und der Staat ist nicht schuldlos daran. Öffentlich-rechtliche Medien liefern im Internet umsonst, wofür Zeitungsleser zahlen müssen. Mit eigenen Portalen und offensiver PR zerstören Kommunen und Behörden das frühere Nachrichtenmonopol der Lokalzeitungen. Mit immer mehr Bürokratie gängelt der Gesetzgeber die Medienhäuser.
Die Einführung des Mindestlohns brachte das System der Zeitungszustellung durch Tausende von Minijobbern ins Wanken. Der Ruf der Verleger nach Förderung war vor allem ein Hilferuf um Unterstützung bei den Zustellkosten. Die Verteilung gedruckter Zeitungen sei nicht mehr wirtschaftlich darzustellen, es sei zu teuer geworden, jedes abgelegene Haus täglich mit dem Blatt zu versorgen. Der Staat möge, was er da angerichtet habe, bitte wieder ausbügeln.
Dass im Koalitionsvertrag nur ein vorsichtiger Satz zu dem Thema steht, ist kein Zufall. Denn die vorherige Bundesregierung war kurz vor ihrem Ende mit dem Versuch einer Presseförderung gescheitert. Es war nicht nur Kritik laut geworden, dass „Staatknete“ die Unabhängigkeit der Presse gefährden könnte. Gewarnt wurde auch vor Wettbewerbsverzerrung, wenn gedruckte Periodika gefördert würden und digital verbreitete Medien leer ausgingen. Den Zwiespalt erkennend, ersann das Bundeswirtschaftsministerium eine 220-Millionen-Euro-Förderung für die „digitale Transformation“ der Zeitungsverlage. Daraufhin drohten Onlinemedien mit Verfassungsklage. Der Regierung kamen schließlich selbst Bedenken, sie legte das Thema auf Eis.
Dabei ist Presseförderung nichts Neues. In den USA wurden schon im 18. Jahrhundert die Portokosten für den Zeitungsversand aufs Minimum gesetzt, auf einen symbolischen Cent. Unterschiedliche Formen direkter und indirekter Presseförderung kennen Schweden, Österreich, Finnland, Frankreich, Norwegen, Spanien. Besonders großzügig ist die Schweiz, sie zahlt kleineren Verlagen bis zu 80 Millionen Franken jährlich. Auch das ist nicht unumstritten. Im Februar kam es zu einer Volksabstimmung über ein geplantes „Medienpaket“. 151 Millionen Franken (143 Mio. Euro) sollten unter anderem für die Zeitungszustellung fließen, auch große Verlage sollten nun profitieren.
Die Debatte darüber wurde für schweizerische Verhältnisse außerordentlich heftig und polemisch geführt. Will der Staat wirklich nur die Medienvielfalt sichern? Oder die eh schon willfährige Presse durch Zuwendungen noch mehr ans Gängelband nehmen? Oder reiche Verleger noch reicher machen? Am Ende lehnten die Schweizer das Medienpaket ab.
Presseförderung ist vermintes Gelände. Es überrascht nicht, dass die Ampelkoalition es nur zögernd betritt. Unterdessen geben in Deutschland die ersten Zeitungsverlage auf.
Hat dies auf Friesenblog rebloggt und kommentierte:
Staatsknete für Verlagshäuser? Die Diskussion ist nicht neu, aber sie gewinnt an Aktualität und Brisanz. Meine Ombudsmann-Kolumnen findet Ihr bei Ombuds-News. Den Blog dürft Ihr natürlich gerne auch abonnieren.
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