Die nackte Frau am schwarzen Brett

Von Medienethik und der Arbeit des Deutschen Presserats

„Die Presse ist frei.“ Ganz schlicht und einfach ist das im ersten Satz des Niedersächsischen Pressegesetzes formuliert. Doch jede Freiheit hat ihre Grenzen, auch Journalisten müssen sich an die die Gesetze halten. Sie genießen nur wenige Sonderrechte wie den Auskunftsanspruch gegenüber Behörden oder das Redaktionsgeheimnis, das selbst ein Gericht nicht aushebeln kann.

Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Aber sie hat auch ihre Grenzen. Foto: Helmut Burlager

Aber wie im  richtigen Leben gilt: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Die deutsche Presse hat sich vor fast fünfzig Jahren ein „Grundgesetz“ gegeben, die Publizistischen Grundsätze, auch Pressekodex genannt. Seither können Leserinnen und Leser sich beim Deutschen Presserat beschweren, wenn sie einen Verstoß gegen die ethischen Grundsätze vermuten, und ein Beschwerdeausschuss urteilt darüber. Hat eine Redaktion die Regeln gebrochen, kann das Gremium je nach Schwere des Verstoßes Hinweise, Missbilligungen oder Rügen aussprechen.

Ich kenne nur wenige Redaktionen, die noch nie mit dem Presserat zu tun hatten, und noch weniger Redakteure, denen eine Sanktion durch den Presserat egal wäre. Die Bild-Zeitung ist dafür bekannt, dass sie auf Rügen nicht reagiert und sie nicht abdruckt. Die meisten betroffenen Blätter aber tun das, auch wenn die Spruchpraxis des Presserats nicht jedem gefällt. Denn nicht jeder Journalist teilt alle Auffassungen, die seit der ersten Verabschiedung im Jahr 1973 in die Grundsätze, Leitsätze und Richtlinien eingeflossen sind.

Die Redaktionen des Brune-Mettcker-Verlages orientieren sich am Pressekodex und halten sich an rechtliche Bestimmungen. Und doch haben sie es in der Vergangenheit hier und da mit dem Presserat oder auch mit Anwälten zu tun bekommen. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem wir das Bild einer nackten Frau – mit deren Einverständnis aufgenommen und bewusst unscharf gehalten – veröffentlicht haben und sie anschließend Schmerzensgeld verlangte, weil Arbeitskollegen sie erkannt und das Foto vergrößert ans schwarze Brett gehängt hatten. Der Fall wurde niedergeschlagen, so wie der Presserat auch die Beschwerde eines Lesers abwies, dessen Leserbrief nicht veröffentlicht, aber redaktionell ausgewertet und dazu Dritten zugänglich gemacht worden war. Er beklagte eine Verletzung des Redaktionsgeheimnisses – aber sein Leserbrief war in einer anderen Zeitung schon erschienen und damit längst nicht mehr geheim.

Vor nicht allzu langer Zeit ist eines unserer Blätter gerügt worden, weil eine bezahlte Anzeige im redaktionellen Teil nicht als solche kenntlich gemacht worden war. Das ist unangenehm, war auch nicht gewollt, aber die Zeitung steht damit nicht alleine da. Der Presserat hat soeben seinen Jahresbericht vorgelegt. 2021 sind nicht weniger als 2556 Beschwerden eingegangen. In 60 Fällen hat der Presserat daraufhin eine Rüge erteilt, davon betrafen 21 das Thema Schleichwerbung, also mehr als ein Drittel.

Regelwerk für Journalisten. Der Pressekodex des Deutschen Presserates. Foto: Helmut Burlager

Neben den Rügen wurden 83 Missbilligungen und 97 Hinweise ausgesprochen. Bei 39 begründeten Beschwerden verhängte der Presserat keine Sanktion. Jede dritte Rüge betraf den Persönlichkeitsschutz, weil eine Redaktion Fotos, Namen oder sensible Informationen von Betroffenen ohne deren Zustimmung veröffentlicht hatte. Ein Thema, das auch in unseren Redaktionen in jedem Einzelfall wieder neu zu diskutieren ist.

Die gute Nachricht in der Jahresbilanz ist, dass 2277 der 2556 Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Bei aller Freiheit sind sich die Medien – das darf man aus der geringen Zahl der Rügen, Missbilligungen und Hinweise herauslesen – ihrer ethischen Verantwortung sehr bewusst.

@ www.presserat.de

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